The future is going to be average.
Vor gut zehn Jahren setzten wir fast unendliche Hoffnungen in die aufkommende demokratische Netzgesellschaft. Mit Ideen wie Liquid Democracy und Online Activism schienen die Partizipation der Massen und das Ende der Eliten greifbar.
Die Euphorie spülte die Piratenpartei eine Legislatur lang in die Parlamente.
Was wir seither erlebt haben, war dann überraschend viel mehr von der Kehrseite der Demokratisierung. Wenn plötzlich jeder mitreden kann, redet plötzlich jeder mit. Jeder war überraschend häufig Trump-Wählerin und nicht immer der erwartete #metoo-Jünger. Digitalisierung brachte uns Emanzipation und Emanzipation brachte uns #metoo, #fridaysforfuture, Brexit, die französischen Gelbwesten, den Rückzug der europäischen Integration und Impfgegner. Also außer “uns” auch “die Anderen”.
Die Bevölkerungen der westlichen Demokratien emanzipierten sich von der moralischen Deutungshoheit der Eliten aus Politik, Medien und Kulturindustrie. Das betraf allerdings nicht nur die grün-bürgerliche Mittelschicht, sondern eben auch den sächsischen Kleinwagen-Tuner und das Wiener Neustädter Kind.
Wenn wir nur zehn bis 15 Jahre zurückblicken, denken wir uns: unglaublich wie naiv wir sein konnten, irgendetwas anderes zu erwarten. Wir waren wie der jugendliche kommunistische Revolutionär 1919 in Erwartung einer gerechten Zukunft.
Die Revolution hat gesiegt.
Nun neigen sich die Revolutionsjahre der Netzgesellschaft dem Ende entgegen. Covid hilft dem neuen Status quo über die letzte Steigung. Vor uns liegt die Ebene.
Die Stormingphase geht in die Normingphase über – wie der österreichische systemische Organisationsberater unseres Vertrauens es einmal nannte. Belege dafür lassen sich in der typischen Entwicklung der Internetwirtschaft erkennen (vom Monopol zum Oligopol, Polypol, etc.), zuletzt begab sich sogar die internationale Steuerpolitik auf den Weg in Richtung Netzgesellschaft, nachdem es für sie über 100 Jahre lang nur Stahlhütten, Kohleminen und höchstens noch Fließbänder zu geben schien (und wenn es das Finanzamt akzeptiert, dann muss es wirklich real sein).
Die medienwissenschaftliche These von der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ wird also zur real existierenden „Shortage Economy“. Die Zukunft wird average.